PICTURES INSIDE ME 2012 – 2014

 

 

Im Spalt der Erinnerung oder
Sisyphos im Grenzgebiet

Auf einem Speicher kehrt ein Mann Staub und Schutt, Überreste des Verfalls. Ob zusammen oder auseinander bleibt dahingestellt. Aber mit sichtbar körperlichem Einsatz und mit einer Egge. Deren grobe, große Zinken dienen eigentlich der Lockerung von Erde. Zur Schmutzbeseitigung sind sie weniger effektiv. Immerhin lässt das archaische Gerät auf ein bäuerliches Umfeld schließen. Nur, welcher Bauer würde seinen Schuppen mit einer Egge kehren? Und so inbrünstig. Wer also ist dieser Mann und wozu kehrt er? Soll die Vergangenheit ausgemistet werden?

Sebastian Kusenberg ergründet das Absurde in einer Gegend, weit entfernt von den Straßen. Ihre topographische Realität bleibt für den Betrachter nur vage erahnbar.. Außenansichten sind rar., das Wo spielt in der Serie PICTURES INSIDE ME keine Rolle. So ist also der Fremde – der sich in ungemachte Betten legt, Heuschober ausspioniert oder eben Speicher eggt -, Sebastian Kusenberg selbst. Er arbeitet allein. Mit einer Plattenkamera und einem altmodischen Luftdruckfernauslöser. Das Bild entsteht während einer relativ langen Belichtungszeit. In dieser einen Minute passiert etwas. Ereignet sich die Inszenierung des Zufalls. Das Selbst und der Andere huschen gleich einem Zauberbesen durch diese Fotografien.

Die Personalunion von Fotograf und Modell sowie die Simultaneität von Schärfentiefe und bewusster Unschärfe generieren fruchtbare Polaritäten. Ebenso wie seine ganz eigene Methode der Selbst-Inszenierung. Denn das Künstler-Ich ist immer soweit zurückgenommen, dass aus der Abstraktion der eigenen Figur eine offene Erzählstruktur und Resonanzräume der Erinnerung entstehen. Projektionsflächen, deren subtiler Humor nicht als vordergründige Idee kurz aufglimmt, sondern vielmehr aus archetypischen Schichten aufscheint. 

Die Serie PICTURES INSIDE ME unternimmt die Reise in eine geheimnisvolle Welt, die Kusenberg wie eine Plattform ausbreitet, auf der wir die Geschichten im Moment des Betrachtens erinnern. So, wenn die Figur durch den Mauerspalt in eine Wohn- oder Schlafstube lugt. Die Tapete ist verblasst, die Struktur des Geästs vor den Fenstern setzt sich in den feinen Rissen im Inneren fort. Beobachten wir hier einen Einbrecher, einen harmlosen Voyeur oder den Besitzer, der schaut, was vom Hause übrigblieb.

In der listigen Polarität stellt PICTURES INSIDE ME die Fragen um Selbstzweifel und Selbstbewusstsein in den Raum. Aber auch nach der Condition humaine des Menschen schlechthin. Camus’ Fazit lautet schließlich: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ 

Auszüge aus einem Text von Michaela Nolte, 2013